Wie Maschinenbauer EaaS nutzen können

2022-09-17 11:23:53 By : Mr. Lee Li

Lange war Equipment-as-a-Service (EaaS) ein Mauerblümchen des Maschinenbaus. Nun steigt das Interesse. EaaS wird massentauglich - oder sollte es zumindest werden.

Das Interesse an Eaas im Maschinenbau steigt. - (Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

Neue IT-Instrumente und Finanzierungspartner machen die Massentauglichkeit von EaaS möglich. Dennoch bleibt der Weg vom Maschinenanbieter zum EaaS-Anbieter steinig. Ein Blick auf die vier Grundelemente des EaaS zeigt, auf was in der Praxis geachtet werden muss.

Über Equipment-as-a-Service (EaaS) ist schon viel geredet und geschrieben worden, seit Rolls-Royce im Jahr 1962 seinen „Power by the Hour“-Service ins Leben rief. Airlines mussten damit ihre Flugzeug-Triebwerke nicht mehr kaufen, sondern bezahlten nur noch die Betriebsstunden der von Rolls-Royce gewarteten Triebwerke. Der Kunde hatte den Vorteil geringerer Kapitalbindung, Rolls-Royce den Vorteil eines dauerhaften Einkommensstroms, auch durch Konjunkturtäler hindurch. Und: der Hersteller aus England ist viel näher an seinen Kunden, als dies beim herkömmlichen Verkauf der Fall wäre.

Dieses Konzept – so erkannten viele Unternehmen und Berater sofort – lässt sich eigentlich mit allen Maschinen realisieren. Doch inzwischen sind fast 50 Jahre vergangen und nur wenige Maschinenbauer haben es geschafft, ihre Maschinen tatsächlich als Service anzubieten – und EaaS hat sich bisher nur in einigen wenigen Bereichen durchgesetzt; ein bekanntes Beispiel sind Büro-Drucker, die nach bedruckter Seite bezahlt werden.

1. Maschinenbauer unterschätzen ihre Servicekosten und/oder die Nettoleistung ihrer Maschine. Folge: Der EaaS-Service schreibt Minus.

2. Maschinenbauer und Kunde vertrauen sich nicht vollkommen. Die gekaufte Maschine wird voll ausgelastet während die EaaS Maschine bei der ersten Produktionsschwankung steht. Folge: EaaS scheitert an Egoismen.

3. Für den Vertrieb ist der EaaS-Vertrag weniger attraktiv als ein Maschinen-Kaufvertrag. Folge: Es werden keine EaaS-Verträge verkauft.

4. Maschinenbauer nehmen an, dass der Kunde das EaaS-Equipment genauso gut behandelt wie sein eigenes. Folge: Der EaaS-Service schreibt Minus.

5. Die Servicetechniker wurden nicht in ihrer neuen Rolle trainiert, Verantwortung für den Maschinen-Betrieb zu übernehmen. Folge: EaaS-Chancen werden nicht genutzt.

6. Maschinenbauer verlieren sich in digitalen Add-On-Angeboten. Folge: Die Kundenpriorität (meist: maximale Performance) wird aus den Augen verloren.

Doch jetzt ist die Zeit für eine breite EaaS-Einführung gekommen. Die Gründe dafür liegen in steigendem Kundeninteresse, der nun verfügbaren Technik und neuen Partnern (sowohl industriellen IT-Dienstleistern als auch Finanziers). Die Folge: In den letzten 24 Monaten sind mehr EaaS-Angebote auf den Markt gekommen als in den fünf Dekaden davor.

Dennoch bleibt die Einführung von EaaS – insbesondere als skalierbares überregionales Angebot – eine komplexe Aufgabe, die viel Vorarbeit seitens des anbietenden Maschinenbauers erfordert. Viele Unternehmen trauen sich EaaS wegen der hohen finanziellen Risiken nicht zu; andere glauben, dass es den Kunden zu teuer kommt. Selbst Unternehmen, die schon erfolgreiche EaaS-Piloten laufen haben, schrecken oft vor einer Ausweitung des Angebots zurück.

Insbesondere sieht sich der Maschinenbauer nun erstmalig in der Rolle des Verantwortlichen für die Nettoleistung der Maschine, die sogenannte Overall Equipment Effectiveness – das ist die Maschinenleistung für die der Kunde letztlich zahlt, und die ihm in der Regel im EaaS-Vertrag zugesichert werden muss (der Kunde muss ja mit einer bestimmten Leistung rechnen können). Hat ein Maschinenbauer hier keine volle Datentransparenz, kann das ein böses Erwachen geben.

Diese vier Elemente müssen stimmen, damit ein EaaS-Projekt erfolgreich auf den Weg gebracht werden kann:

Es muss eng am Kunden orientiert sein. Daher sind meist einige wenige Pakete zu schnüren, jedes mit einer spezifischen Maschine, einer bestimmten Anzahl an Verbrauchsmaterialien, einem definierten Service-Level-Agreement (SLA) und Zugang zu definierten digitalen Services. Am Anfang empfiehlt es sich, Maschinen zu nehmen, über die bereits viele Daten vorliegen – beim EaaS muss unbedingt die Maschine elektronisch überwacht und eine „Predictive Maintenance“ durchgeführt werden; je mehr Daten vorliegen, desto einfacher fällt das. Zudem garantiert nur völlige Kostentransparenz über den gesamten Vertragszeitraum eine korrekte Kalkulation des Vertrags – wohl dem, der diese Daten aus dem hauseigenen ERP-System ziehen kann. Ansonsten müssen Daten aus den verschiedensten Bereichen des Unternehmens zusammengetragen werden. Mit zum Servicepaket gehört ein standardisierter 2-3 Tage dauernder Kunden-Termin, bei dem die Fertigung des Kunden evaluiert wird. Hier geht es vor allem darum, die Kunden-Nutzung (Volumen, Maschinengebrauch) realistisch einzuschätzen, um den Vertrag entsprechend einzustellen.

Mögliche Finanzierungspartner sind Banken und Versicherungen. Sie sollten möglichst frühzeitig angesprochen und einbezogen werden. Während es sich empfiehlt, den Piloten selbst zu finanzieren, um unabhängig zu bleiben, gehört die Finanzierung zwingend mit zum EaaS-Paket. Am besten sollte gemeinsam mit dem Finanzierungspartner ein Kunden-Bewertungsprozess aufgesetzt werden. Die EaaS-Vergütung sollte auf der monatlichen Nutzung oder dem monatlichen Volumen basieren, aber es sollte auch eine Anfangszahlung geben, die die Start-Kosten abfängt und einen Puffer für die Pilot-Phase bietet.

Vernetzbarkeit aller Komponenten und stabile Verbindungen in die Cloud sind unabdingbar und müssen sicher funktionieren. Es muss auch sichergestellt sein, dass alle Daten komplett erhoben werden und in ein ERP-System fließen, so dass zum Beispiel alle Kosten der Leistungserbringung komplett erhoben werden. Zudem braucht ein EaaS ein eigenes Vergütungssystem für den Vertrieb; der Verkauf eines EaaS kann mindestens ebenso lukrativ sein wie der Verkauf einer Maschine. Ein monatlicher Sales and Operations-Plan (S&OP) hilft enorm, um einen abgestimmten Produktions- und Lieferplan für die benötigten Betriebsstoffe und Ersatzteile zu erstellen.

Hier ist vom ersten Moment an die Zusammenarbeit mit einem Industrie-IT-Partner zu empfehlen, der sich auf die nutzungsbasierte Abrechnung spezialisiert hat. Wer noch kein modernes flexibles Rechnungstellungs-System hat, sollte dieses als EaaS-Anbieter in Zusammenarbeit mit Steuer- und Rechtsexperten aufbauen – oder auch hier einen Dienstleiter einschalten. Des Weiteren ist das Forderungsmanagement der meisten Maschinenbauer nicht auf ein solches Geschäftsmodell eingestellt. Mahnungen und etwaige Konsequenzen müssen in deutlich höherer Frequenz bearbeitet werden, als dies beim traditionellen Maschinenkauf der Fall ist.

Equipment as a Service ist noch immer so interessant wie vor 50 Jahren, denn beide Seiten – Maschinenbauer und Kunde – gewinnen, wenn das Angebot richtig aufgesetzt und implementiert wird. Für alle, die sich noch tiefer für das Thema interessieren, gibt es auf der Deloitte Webseite einen aktuellen Point of View zum Thema „Equipment-as-a-Service im Maschinenbau“ als kostenlosen Download.

Oliver Bendig ist als Partner bei Deloitte verantwortlich für den Maschinen- und Anlagenbau und ein international anerkannter Experte für After Sales und Customer Service. Seit mehr als 20 Jahren berät er seine Kunden von der Strategieentwicklung und Umsetzung bis zur gemeinsamen Realisierung der Resultate.

Schwerpunkte seiner Tätigkeiten sind u. a. Wachstumsprogramme, Service Excellence, Pricing sowie Performanceoptimierung und Digitale Transformationen. Er ist Mitglied des Advisory Boards der ISLA (weltweit führendes Netzwerk von Service Leaders) und Senior Advisor des Investmentkommitees der Region Shenzhen, China.

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