Neue Ideenschmiede: Tag der offenen Tür in der Kühlhalle - Coburg - Neue Presse Coburg

2022-07-16 01:01:22 By : Mr. Lynn Shu

Creapolis und „Zukunft.Coburg.Digital“ beziehen die Kühlhalle des ehemaligen Schlachthofs. Dort darf experimentiert werden.

Es ist alles etwas gediegener, schicker, ja man könnte sogar sagen: erwachsener geworden. Kein bröckelnder Putz mehr, keine Provisorien und keine wild zusammengewürfelte Büroeinrichtung. Creapolis, die Innovations- und Vernetzungsplattform der Hochschule Coburg, und die Co-Working-Area von „Zukunft.Coburg.Digital“ können sich wirklich sehen lassen.

Das haben am Donnerstag eine ganze Reihe von Interessierten wörtlich genommen und sind der Einladung in die Kühlhalle des ehemaligen Schlachthofs gefolgt. Bei Führungen, aber auch auf eigene Faust erkundeten die Besucher die neuen Räume der beiden Einrichtungen und waren fasziniert über die Menge an Möglichkeiten, die das ehemalige Industriegelände nun findigen Köpfen bietet.

Die Stadt Coburg, der das Gebäude aus den 1920er-Jahren gehört, hat in den vergangenen zwei Jahren knapp sieben Millionen Euro in die Sanierung investiert. Noch einmal gut acht Millionen flossen aus Mitteln der Wissenschaftsförderung in den Aufbau von Creapolis. Die Institution soll einerseits Studierenden die Möglichkeit bieten, ihre Ideen in der Praxis zu erproben. Andererseits sind Bastler, Tüftler und Heimwerker aus Coburg und Umgebung eingeladen, mithilfe des modernen Geräteparks, der nun in der Kühlhalle steht, ihre Do-it-yourself-Projekte umzusetzen. Von der Begegnung der beiden Interessengruppen beim Sägen, Schweißen, Hobeln oder am 3D-Drucker versprechen sich die Initiatoren kreative Impulse für beide Seiten. „Wissensaustausch ist unser Anliegen“, erklärt Markus Neufeld, der an der Hochschule für das Projekt verantwortlich ist.

Gestartet war Creapolis im September 2018 in der Direktorenvilla des ehemaligen Schlachthofs mit einer Handvoll an Geräten und einigen wenigen Interessierten. Obwohl die Corona-Pandemie, die ab März 2020 das öffentliche Leben gelähmt hat, auch das gemeinsame Arbeiten von handwerklich begabten Laien und jungen Forschern stark bremste, ist Creapolis für Markus Neufeld eine Erfolgsgeschichte: „Unsere Erwartungen wurden weit übertroffen“, sagt er. Fast 900 Nutzer hätten sich mittlerweile registrieren lassen. Etwa 60 Prozent kämen aus dem Bereich der Hochschule, 40 Prozent seien Laien aus dem Raum Coburg. „Ein erstaunliches Wirken in die Öffentlichkeit“, nennt Neufeld diese Zahlen.

Die neuen Räume, die Creapolis im Erdgeschoss der Kühlhalle bezogen hat und die gestern mit einem Tag der offenen Tür, einem Festakt, an dem Oberbürgermeister Dominik Sauerteig, Landrat Sebastian Straubel, Hochschulpräsident Stefan Gast und Thomas Engel, der Vizepräsident der Regierung von Oberfranken, sprachen und einer anschließenden Party eröffnet wurden, kann die Vernetzungsplattform ihr Angebot verdoppeln.

Über 400 Quadratmeter an Fläche stehen in Zukunft den Machern zur Verfügung. Das gibt Markus Neufeld und seinem Team die Möglichkeit, das Angebot deutlich auszubauen. Neben den bereits in der benachbarten Villa vorhandenen Holzbearbeitungsmaschinen, Lasercuttern und 3D-Druckern ist eine Metallwerkstatt aufgebaut worden, deren Herzstück eine CNC-Fräsmaschine ist. Der angrenzende Raum ist für Keramiker reserviert, die dort mit verschiedenen Material-, Brenn- und Glasiertechniken experimentieren können. Auch in diesem jahrhundertealten Handwerk hat mittlerweile die Computertechnik Einzug gehalten. Ähnlich wie beim 3D-Druck ermöglicht in Zukunft ein computergesteuerter „Masse-Drucker“, komplexe Formen reproduzierbar zu verwirklichen. Ein weiteres Highlight im Maschinenpark von Creapolis ist eine Stickmaschine. „Natürlich kann man damit auch Monogramme auf Taschentücher sticken“, erklärt Markus Neufeld schmunzelnd. Innovativ sei das allerdings nicht. Verwendet man anstelle von herkömmlichem Garn dagegen eine Faser, die elektrischen Strom leiten kann, dann lässt sich ein herkömmlicher Pullover in ein Wearable verwandeln. Darunter versteht man Kleidungsstücke, die mit Smartphones, Computern oder Datenfunktechnik zusammenarbeiten und beispielsweise Daten über Körperfunktionen weitergeben oder Nachrichten empfangen, die die Nutzer solcher Garderobe dann lesen, hören oder sehen können.

An dieser Stelle könnte sich dann der Bogen zu dem künftigen KI-Zentrum spannen, das die Hochschule als eines der nächsten Projekte im Anschluss an die Kühlhalle verwirklichen möchte. Ebenfalls auf der Agenda steht der Bau eines sogenannten Reallabors, das sich ab 2024 südlich an das ehemalige Schlachthofgelände anschließen soll. Unter Reallabor versteht man eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung, die Disziplinen übergreifend arbeitet und auch die Gesellschaft miteinbezieht. Die Verwirklichung dieser Projekte in Coburg nennt Markus Neufeld „einen Quantensprung für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft“.

Nicht minder fortschrittlich geht es im Obergeschoss der Kühlhalle zu. Dort ist „Zukunft.Coburg.Digital“ eingezogen. Das gemeinsam finanzierte Gründerzentrum von Stadt, Landkreis und IHK bietet 30 moderne Büroarbeitsplätze, Besprechungs- und Aufenthaltsräume für Menschen, die für einige Zeit die gute technische Infrastruktur des Co-Workings nutzen wollen. Nach einem Rückgang während der Pandemie ziehe die Nachfrage gerade wieder an, bestätigte Eva Kollmann von „Zukunft.Coburg.Digital“. Der Dienstleister ist auch in Rödental vertreten und hält dort noch einmal neun Plätze vor.